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Ein Fahrradgutachten kann sich lohnen

Im vergangenen Jahr gaben Käufer im Schnitt knapp 1800 Euro für ein neues Fahrrad aus. Pedelecs für über 3000 Euro sind eher die Regel als die Ausnahme und auch Rennräder erreichen schnell Preise im vierstelligen Bereich. Kommt es zu einem Unfall, können bei der Feststellung der Schadenshöhe Sachverständige ins Spiel kommen: Wie bei Autos bewerten sie das Zweirad, damit der Besitzer mögliche Ansprüche an die gegnerische Versicherung oder den Unfallverursacher geltend machen kann. Ein solches Fahrradgutachten bietet beispielsweise die Gesellschaft für Technische Überwachung an.

Die Zahl der Unfälle mit E-Bikes hat in den vergangenen Jahren zugenommen – auch, weil mit ihnen oft schneller gefahren wird als mit herkömmlichen Fahrrädern. Laut Statistischem Bundesamt meldete die Polizei im Jahr 2023 gut 23.900 Pedelec-Unfälle mit Personenschaden, etwa elfmal so viele wie 2014. Bei nichtmotorisierten Fahrrädern hingegen ist die Zahl der Unfälle mit Personenschaden in den vergangenen neun Jahren von rund 76.600 auf knapp 72.200 gesunken.

„Es gilt der Grundsatz: Jeder Schaden ist individuell. Er muss genau angeschaut werden, damit der entstandene Sachschaden geltend gemacht werden kann“, sagt GTÜ-Partner Stefan Krone, Inhaber eines Ingenieurbüros im westfälischen Halle. „Einen wichtigen Unterschied gibt es: Bei Autos lassen sich viele Informationen aus Datenbanken holen, etwa Reparaturwerte. Für Fahrräder gibt es so etwas nicht. Für jeden Schadensfall recherchiere ich sämtliche Fakten, die für das Gutachten relevant sind. Das ist mitunter sehr aufwendig.“

Davor steht die genaue Untersuchung des defekten Zweirads. Auch Schutzkleidung wie Helm, Jacke und Schuhe gehört dazu, denn Schäden daran werden ebenfalls ersetzt. Innerhalb eines strukturierten Ablaufs schaut Krone auf sämtliche Details und dokumentiert eventuelle Schäden mit der Kamera: Was ist beschädigt? Gibt es möglicherweise nicht direkt sichtbare Begleitschäden, etwa einen verzogenen Rahmen? Dazu demontiert er im Bedarfsfall das Fahrrad mindestens an einigen Stellen und bei großen Schäden komplett.

Für die Schadensanalyse stehen Stefan Krone spezielle Geräte und Methoden zur Verfügung: So liefert ihm die akustische Resonanzanalyse Hinweise, ob ein Fahrradrahmen mechanische Beschädigungen erlitten hat, die dessen Stabilität beeinträchtigen können. Auch fluoreszierende Substanzen in alkoholischer Lösung kommen in manchen Fällen zum Einsatz: Unter UV-Licht wird die defekte Stelle gut sichtbar. So lassen sich selbst Haarrisse aufspüren – wichtig für Fahrradkomponenten aus leichtem Karbonfaser-Verbundmaterial. Auch ein Mikroskop hat Krone in seinem Prüfgeräte-Arsenal, um kleine Teile und Oberflächen genauer untersuchen zu können.

Ist der komplette Schadensumfang bekannt, ermittelt der Gutachter den Aufwand für eine mögliche Reparatur. Dazu recherchiert er in Preislisten oder Fahrradwerkstätten die Ersatzteilpreise. Die Instandsetzungsdauer für die Ausführung der Reparatur kennt er mittlerweile aus Erfahrung oder bedient sich der Herstellervorgaben. Darüber hinaus beziffert er einen Nutzungsausfall, wenn dieser über das nicht verwendbare Zweirad entsteht, sowie eine Wertminderung.

„Bei Fahrrädern münden größere Unfälle fast immer in einen wirtschaftlichen Totalschaden“, sagt der Ingenieur. „Der Grund ist ganz einfach: Oft ist der Rahmen beschädigt und müsste ausgetauscht werden. Er kostet jedoch als einzelnes Ersatzteil viel mehr als in einem neuen Fahrrad frisch aus der Fabrik. Diese Regel gilt für nahezu jede Fahrradkomponente. Da lohnt sich eine Reparatur oft nicht.“ Eine schlechte Nachricht für den Besitzer?

„Nein. Denn er kann ja mit Hilfe des Gutachtens vollständig den Wiederbeschaffungswert des Zweirads und des beschädigten Zubehörs inklusive Schutzkleidung bei der Versicherung geltend machen“, erläutert der GTÜ-Partner. „Das Gutachten berücksichtigt immer den aktuellen Marktwert, den technischen Zustand, wertsteigernde Änderungen sowie Instandsetzungsverfahren.“ Das gilt übrigens nicht allein für Unfall- und Haftpflichtschäden: „Wenn materialbedingte Schäden an einem Fahrrad auftreten, etwa aufgrund eines fehlerhaft gefertigten Bauteils, ist ein Beweissicherungsgutachten oftmals sinnvoll, um den Schaden vom Fahrradhersteller ersetzt zu bekommen.“

Seit rund zehn Jahren fertigt Stefan Krone Fahrradgutachten an. Mittlerweile ist die Dienstleistung zwar bekannt – aber es ist immer noch nicht selbstverständlich, ein Fahrrad im Schadensfall begutachten zu lassen. (aum)

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Ein Pedelec kostet in der Regel eine vierstellige Summe.

Ein Pedelec kostet in der Regel eine vierstellige Summe.

Foto: Autoren-Union Mobilität

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